September 4, 2023

Letzter Tag der Liebe (Shadi Razai)

VORWORT:

Richard Wall

Zur Erzählung Letzter Tag der Liebe

von Shadi Razai Liebe Leserin, lieber Leser,

Sie haben vor sich den außergewöhnlich dichten Text der 19-jährigen Kurdin Shadi Razai, der von Genre schwer einzuordnen ist, da er, wie mir scheint, Bericht, Erzählung, Erinnerung und poetische Beschwörung zugleich ist. Poetisch vor allem dort, wo er die Beziehung zu ihrer Mutter, auch noch nach ihrem Ableben, thematisiert. Shadi Razai kam als Mädchen nach einer abenteuerlichen Flucht mit ihren Eltern 2015 nach Schlierbach und nahm am Deutschkurs teil. Als 2016 die Mutter gestorben, der Stiefvater mit dem kleinen Shahin nach Kurdistan zurückgekehrt war, wollte sie auf eigenen Beinen stehen. Sie verließ die Familie ihrer großen Schwester und begann als Zahnarzthelferin in Steyr zu arbeiten. Ein guter Bekannter von mir, der namentlich nicht genannt werden möchte, bekam als erster den Text in die Hand. Er schreibt darüber: „Ich habe mich gescheut, den Text zu redigieren. Sie brachte ihn zum ersten Mal im März 2023. Ich stellte ihr eine Reihe von Fragen zum Inhalt, deren Antworten sie dann eingearbeitet hat. Ich finde, dass die Schwierigkeiten, die sie noch mit dem Deutschen hat, zur Eindringlichkeit ihrer Geschichte beitragen.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Shadi Razai

Letzter Tag der Liebe

Fassung vom 6. Juli 2023, aus dem Kurdischen ins Deutsche übersetzt von Shadi. Orthographie und Interpunktion ausgebessert, der Wortlaut um einige wenige Stellen gekürzt von Melchior Frommel.

Wer bin ich? Und wer ist mein Vater? Von wo kamen wir? Lebt mein Vater noch oder ist er gestorben? Wenn er gestorben ist, wo ist sein Grab? Und wer hat ihn getötet und warum?

Ich will wissen, wie er ausgeschaut hat und wie seine Stimme war, ich will wissen, was seine Lieblingsfarbe war, ob er auch wie ich Musik liebte? Ich habe das Gefühl, er war mir ähnlich, doch erfahren werde ich das nie, was meinem Herzen Traurigkeit schenkt.

Diese Geschichte handelt von einem Mädchen, die alleine ohne Vater aufgewachsen ist und zwei Jahre nach der Flucht nach Österreich durch die Krebskrankheit der Mutter auch noch diese verlor. Nun war sie ein Vollwaisenkind und musste sich durch das Leben kämpfen. Durch die harten Kindheitsjahre war sie schon stark geworden. Sie dachte immer wieder: nur nicht aufgeben. Du musst es schaffen, das bist du deinen Eltern schuldig.

Der Schoß meiner Mutter, die mich neun Monate getragen hat. Heute wünsche ich, ich wäre damals gnädig zu ihr gewesen. Ich wünsche, ich wäre damals nicht die Quelle davon gewesen. Ich denke an sie und ihre Nöte damals. Ich will die Zeit trennen und wieder neu anordnen. Mit ihr und an ihrer Seite sein.

Meine Mutter gebar zwei der liebevollsten Brüder für mich und die schönste Schwester. Wenn ich zurückdenke und die Augen schließe, sehe ich, dass wir wie Schmetterlinge im Garten meiner Mutter waren. Der uns früher ernährt und die schönsten Blumen für uns ausgesucht hat.

In der Dunkelheit einer dunklen Nacht, am 17.10.2003, öffnete ich meine Augen der Minderwertigkeit und nahm meinen ersten Atem, aber ohne Vater. Neunzig Tage nach dem Tod meines Vaters. Sie sagten, öffne deine Augen für das Universum und genieße eher Ungehorsam und Löschung in Richtung innerer Ruhe. Es war eine stürmische Nacht im nordirakischen Kurdistan in einer kleinen Stadt namens Koya. Wir waren damals in einem iranischen Lager namens AZADI (Freiheit). Wir blieben dort lange Zeit. Es gab Häuser und einen Platz für Familien.

Ich öffnete meine Augen und sah meiner Mama Augen, ihre Augen waren dunkelbraun, braun wie die Erde, die versprach, aus schlafenden Samen Leben zu erwecken, viele Geheimnisse in sich bergend, also wollte man reden und… Ihre Haare waren rapunzellang und schwarz wie Nächte im Neumond. Ihre Augen rehähnlich, deren Magie durch die strichdünnen Augenbrauen verstärkt wurde.

Alles begann vor 19 Jahren. Meine Eltern waren hartnäckig für die Heimat, sie trugen den Traum eines jeden Kurden in sich. Den Traum von der Sezession vom iranischen Regime. Damals heiratete man sehr jung, meine Mutter heiratete meinen Vater mit zwölf Jahren und mein Vater meine Mutter mit vierzehn Jahren.

Die Mutter, Shayda: Schon als ich klein war, wurde mir beigebracht, dass meine Befindlichkeit nicht so viel wert ist. Nicht so viel wert, wie die von Männern oder Menschen, die nicht zum kurdischen Volk gehören. Schon seit ich klein war, lebte ich in Angst und trage dennoch sehr viel Mut und Kampfgeist in mir. Ich wurde früh verheiratet, mit einem Mann, der ebenso oder noch mehr Kampfgeist in sich trägt, als ich es tue. Für manche sind wir in der Geschichte dieses Kampfes die Bösen, die Gewalttätigen, so wie wir von vielen gesehen werden. Dabei ist alles, was wir je wollten, Freiheit.

Der Vater, Hazhar: Shayda war noch viel zu jung um zu heiraten und ich auch. Dennoch mussten wir es tun, da es in unserer Kultur einfach so ist. Das war stets die Antwort, die wir von unseren Eltern bekamen. Unsere Kultur. War das die iranische oder die kurdische? Eine Antwort kann ich nicht geben, doch für mich selbst war es immer die kurdische. Wir, das kurdische Volk, das größte Volk ohne Staat und auch oft ohne Rechte. Shayda hatte schon immer viel Kampfgeist in sich, so auch ich. Wegen diesem Kampfgeist gingen wir zur Demokratischen Partei Kurdistans, wir waren ab diesem Zeitpunkt bereit zum Kampf um unsere Freiheit.

Shayda: Wir müssen fliehen, unser Kampf ist gegen das iranische Regime, wir sind hier nicht sicher.

Hazhar, leicht verärgert: Willst du denn nicht mehr für deine Rechte einstehen? Wir kämpfen hier für etwas, das viel größer ist, als wir es sind.

Shayda, verzweifelt: Ich trage unser Kind in mir. Es geht mir um die Sicherheit unserer Kleinen.

Hazhars Zorn verwandelt sich in Liebe und er legt die Hand auf den Bauch von Shayda: Dann lass uns in den Irak fliehen, dort soll es sicherer für uns sein.

Im Alter von vierzehn Jahren brachte meine Mutter ihr erstes Kind im Iran zur Welt, Peshawa, meinen großen Bruder. Danach zog mein Vater in den Irak. Er war in jungem Alter in die Partei gekommen und wurde mit jungen Jahren zum Peshmerga. Zwei Jahre, nachdem er meine Mutter und Peshawa verlassen hatte, konnte meine Mutter zu ihm kommen, doch leider ohne Peshawa. Peshawa ist bei meinen Großeltern groß geworden, leider hat er nie Elternliebe oder Geschwisterliebe gehabt.

Sie flohen im Jahr 1987 um ihr Leben durch die Berge und Täler in Richtung Irak. Zu dieser Zeit war meine Mutter mit meiner Schwester schwanger. Als sie aus ihrer Heimatstadt namens Sanandasch wegzog, hatte meine Mutter das Gefühl, dass sie jetzt gebären würde. Die Berge waren wie schneebedeckte Wolken. In den Höhen der Gipfel und der Kälte geschah die Geburt meiner Schwester, die anders ist als alle anderen, sie war mein Seele.

Auf ihrem Weg passierten sie die Grenzen des Irak und des Iran und in einem bestimmten Gebiet, der Name der Gegend war Shler, brachte meine Mutter ihre Tochter zur Welt. Also nannte sie sie nach ihrem Geburtsort Shler. Shler bedeutet auf kurdisch eine Blume, die im Schnee wächst. Sie ist an einem Ort geboren, der seit jeher ein Zufluchtsort für die ehrenwerten Peschmergas war, die die Unterdrückung und Versklavung durch das Regime nicht akzeptierten.

Mein Bruder wurde in der geliebten Sulymaniyah geboren, der Stadt der Liebe und Kultur, im nordirakischen Kurdistan. Sulaymaniyah ist ein wichtiger Ort für die kurdische Kultur und Geschichte. Viele Menschen besuchen die Stadt, um mehr über die kurdische Kulturgeschichte zu erfahren.

Meine Mutter Shayda und mein Vater Hazhar waren ein integraler Bestandteil einer tiefen Partei, der Demokratischen Partei. Und das Gesetz der Harmonie bei den Anhängern jener Partei war gegen das System. Aus diesem Grund konnten meine Eltern nicht in den Iran zurückkehren, der Ostkurdistan ist. Sie konnten nicht einmal ihre Verwandten besuchen, und das allein war sehr schmerzhaft, das Land, die Familie und den Ort, an dem sie aufgewachsen sind, zu verlassen. Eines Tages beschlossen sie im Einvernehmen mit den Militanten und meinem Vater, nach Ostkurdistan zurückzukehren. Die Liebe meines Vaters für das Land war so tief, dass sein Körper das beschloss, ohne mit der Wimper zu zucken oder zu zögern.

Großmut, Liebe, Ausdauer, Fleiß, Kontinuität und Nichthingabe sind Worten mit großer Bedeutung, die ich nicht beschreiben kann. Ich glaube nicht, dass das für jemanden reicht, der sogar seine Familie, seine Kinder und sein ganzes Leben hinter sich lässt, nur um nach Hause zu kommen.

Die Tage sind viele, die Monate rasen und die Jahre sind nicht gnädig. Mein Vater war eines Tages weg, und bis heute haben wir ihn nie wieder gesehen. So beginnt das Epos meines Lebens und seiner Auszüge.

Meine Mutter nannte mich Shadi. Dieser Name bedeutet in der kurdischen Sprache Freude oder Fröhlichkeit – die ich nicht sah, nachdem alle von mir weg waren.

Ich habe nichts gesagt, seit ich jung war. Ich habe seit meiner Kindheit all meine Gefühle eingesperrt, egal ob es Freude oder Traurigkeit war. Ich habe mir so viel eingebildet, dass ich mich in der Vorstellung getäuscht habe und die Realität nicht erreichen konnte. Meine Jugend floss wie verängstigtes Wasser.

Das Elend und die Leiden meiner Mutter, um arbeiten zu können, waren episch und der Beschreibung wert. Sie backte, knetete und kochte für Menschen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie arbeitete sehr hart, nähte und verrichtete Handarbeit. Früher hatte sie die schönsten Wollmützen in allen Farben gemacht, die ich mir jetzt sehr wünsche, nicht wegen der Schönheit der Mütze, sondern wegen des Geruchs der Hand meiner Mutter, der wie der Geruch von Pinie und Basilikum war.

Wir wohnten in einem sehr alten Haus, seine Türen waren aus Eisen, seine Fenster aus Gitterstäben. Als der Winter über uns kam, zitterten wir vor Qual. Wir zittern zunächst und sind allein. Es war sehr schmerzhaft, in das Haus zu schauen, da im Wohnzimmer eine Matratze lag und wir nicht einmal einen Fernseher hatten. Oder besser gesagt, wir hatten keine elektronischen Geräte zu Hause. Meine Geschwister waren sehr geduldig, wenn wir nicht einmal genug zu essen hatten. Nachts schliefen wir mit leerem Magen. Wir hatten keine großen Schmerzen. Das Elend meiner Mutter zu sehen und die Not, nach deren Ende sie sich sehnte, war so schmerzhaft, dass wir keinen, aber überhaupt keinen Hunger verspürten, und wir waren auch fast Fremde, es war nicht unser Ort, an dem wir aufwachsen wollten.

Ich möchte über den Ort sprechen, an dem ich lebte und meine Kindheit und Jugend verbracht habe. Der Ort ist das Jezhnikan-Lager, in dem die Familien der Peschmergas der Demokratischen Partei Kurdistans leben. Erwachsene treten von Kindheit an in das politische Leben ein. Politik lernt man von Kindheit an. In einem fremden Land zu leben, ist nicht einfach, jeder kann das nicht ertragen, er geht nach Europa oder siedelt sich in Südkurdistan an oder geht zurück in den Osten, das macht eine Minderheit. Die meisten von ihnen sind wegen ihrer Gedanken und ihres Weges

mit einem schwierigen Leben in den Lagern zufrieden. Es gibt alle Arten von Familien in den Lagern, reiche und arme, aber sie werden alle gleich behandelt. Du sehnst dich immer nach Dingen für ein glückliches Leben. Ich erinnere mich, dass ich früh erwachsen werden wollte, um meine Kindheit los zu werden, weil ich viele Probleme hatte. Aber als ich älter wurde, spürte ich, dass meine Wünsche zunahmen.

Es war einmal… Ich wuchs auf, bis ich fünf Jahre alt war. Ich habe fast den ganzen Tag in unserer Gasse gespielt, in der ich aufgewachsen bin, und ich hatte so viele Freunde, die ich nicht vergessen kann. Meine Kindheitserinnerung ist bei ihnen. Früher habe ich oft mit einem von ihnen gespielt, weil er unserem Haus am nächsten war. Sein Name war Zhilwan, er war zwei Jahre älter als ich. Eines Tages kam sein Vater, um ihm zu sagen, dass er in den Süßwarenladen gehen wolle, der am Ende unserer Straße war, und ich erinnere mich, dass er mich dann fragte, ob ich auch mit ihnen gehen möchte. Also antwortete ich ihm, indem ich sein Angebot ablehnte, und ich kehrte nach Hause zurück.

Als ich nach Hause zurückkehrte, waren meine Augen mit all dem Regen des Universums gefüllt, also erinnerte ich mich und fragte mich, ob es jemanden aus meiner Familie gab, der mich fragen oder bitten würde, mit ihm zu gehen, um Süßigkeiten oder irgendetwas zu kaufen. Ich dachte nicht ans Kaufen, sondern es war eine einzige Frage, die mir jemand aus meinem Fleisch und Blut stellen sollte.

So wurden meine Gefühle und mein kindlicher Stolz zerrissen, also schaute ich nicht zu, sondern weinte, ich wollte laut schreien.

Es gab also viele Fragen in meinem Kopf und viele versteckte Gefühle, die bis jetzt gedämpft waren. Auf dem Rückweg, bevor ich die Tür unseres Hauses erreichte, roch ich ein köstliches Aroma. Also eilte ich in die Küche unseres Hauses. Und meine Seele war am Weinen, also schaute ich in die Augen meiner Mutter und ich konnte nicht verbergen, was in meiner Seele, meinem Verstand und meinen Gefühlen war, ich wollte alle die verborgenen Dinge in meinem Herzen offenbaren.

Ich betrachtete die Liebesquellen meiner Mutter, die die beiden schönsten Augen waren, die ich je gesehen hatte, ich umarmte ihre Taille und hielt ihr Kleid, das nach Narzissen duftete.

Also fragte sie sich, was ist los, mein kleines Mädchen? Meine Augen konnten meine Tränen nicht zurückhalten und ich schwor, aber ich weinte heftig. Ich sagte ihr, ob ich auch einen Vater habe?

Ich wischte mir die Tränen weg und sagte, wenn ich einen Vater hätte, könnte ich mit ihm Süßigkeiten kaufen gehen. Meine Mutter konnte mein Jammern und mein Weinen nicht ertragen. Sie zog mich an ihren Busen, der meiner Meinung nach meine einzige Zuflucht war, um all meinen unbeantworteten Fragen zu entfliehen. Und sie sagte mit ihrer süßen, zwielichtigen Stimme: Mein liebes kleines Mädchen, wir sind nicht wie andere Familien. Wir weichen von ihnen ab, weil wir nicht genug Geld für diese Süßigkeiten haben.

Also sagte ich in meinem Herzen nach ihren Worten: Meine geliebte, meine Mutter, ich habe nicht vor zu kaufen, ich will meinen Vater. Ich hatte kein Bild von ihm, oder besser gesagt, ich kenne die Gesichtszüge meines Vaters nicht. Ich habe ihm und mir immer die Schuld für meinen miserablen Zustand gegeben. Ich habe ihn immer gefragt, wo bist du? Warum bist du gegangen und warum hast du mich, ohne dich überhaupt gesehen zu haben, verlassen? Ich gab ihm die Schuld wegen meiner Traurigkeit und dass ich immer das Gefühl hatte, dass er nicht hier war, um mich auf seinem Schoß zu halten oder mir Süßigkeiten zu kaufen. Oder dass er mich auf seinen Schultern trägt und mit mir spielt. Das Gefühl, keinen Vater zu haben, beschäftigte meine ganze Kindheit und meinen Geist. Meine Mutter konnte mir mit all ihren Mühen und Versuchen nicht das Gefühl geben, dass ich keinen Vater brauche im Leben.

Als ob sie mich gehört hätte, als ich das in mir sagte, setzte sie ihre Worte fort und sagte: dein Vater ist gegangen, um uns Geld zu bringen. Die Geräusche der Straße folgten mir und ließen meine Mutter in der Küche zurück, auch ihre Augen waren erfüllt von den ältesten Trauerspielen und all den Trennungsgeschichten.

Ich hab Zhilwan wiedergesehen und laut gesagt: Ich wünschte, du wüsstest, dass ich auch einen Vater habe. Und jetzt ist er wegen der Arbeit von uns weg. Er antwortete mir und sagte: „Das glaube ich nicht.“ Wir machten uns auf den Weg zu seinem Vater. Zhilwans Ablehnung meiner Worte ließ mein Herz zweifeln und eine weitere Frage stellen, ich fragte seinen Vater: Wo ist mein Vater?

Also holte er tief Luft und schloss seine Augen und fing an, mir die Ereignisse zu erklären. Er sagte: “Shadi, es war vor paar Jahren, wir waren zu dritt, dein Vater und ein Mann namens Shamsa und ich. Wir sind nicht mehr dort, sogar die Luft war anders.“ Man sah in seinen Augen, wie es gefunkelt hat. Er fing an weiter zu erzählen. Hazhar guckte mich an und fing an zu lachen und sagte: „Ja schau, wir sind wieder da, ich kann das nie vergessen, als wäre es gestern. Wir gingen zu einer Familie, die Frau hat Kazhal geheißen und der Mann Karwan, sie hatten ein kleines Haus aber voll mit alten Sachen und Pflanzen. Das ganze Haus hat nach Rosen geduftet, die Frau war sehr sympathisch, sie hat immer ein Lächeln auf ihren Lippen gehabt. Sie fragte uns, ob wir Hunger haben, und sie brachte uns Tschai. Wir saßen mit Karwan im Wohnzimmer und redeten über Politik, währenddessen hat Kazhal Helkaw Tamata gemacht (gebratene Tomaten mit Spiegeleiern). Wir aßen alle gemeinsam und machten einen Mittagsschlaf. Um 17 Uhr sind wir von Karmans Haus raus gegangen und ich bin mit Kamran weg gegangen, damit ich die Wasserflaschen voll mache. Jedesmal wenn ich die Flasche von deinem Vater voll gemacht habe, passierte immer Krieg. Ich ging mit Karwan und inzwischen war Shamsa mit Hazhar zusammen. Auf einmal kamen so viele Jash (Verräter). Sie schossen auf Shamsa. Er wurde schwer verletzt. Hazhar rannte zu ihm, um ihm zu helfen, doch Shamsa wurde noch ein paarmal beschossen und er starb. Dein Vater bekam einen Schuss in die linke Seite in seinen Bauch, doch er versuchte wegzulaufen, er hatte gehofft, dass er lebendig rauskommt. Er ging und nahm all die Sachen mit sich mit. Seine Verletzung wurde immer schlimmer. Er erreichte einen kleinen Garten. Seine Wunde hatte sich entzündet, und er wusste, dass er es nicht schaffen würde. Er wollte nicht aufgeben und gefangen werden, er wollte nicht, dass die Feinde ihn aufhängen, so zündete er all die Sachen an, die er mitgehabt hatte, damit andre Leute nicht erwischt werden.

Am Ende nahm er eine Granate und sprengte sich in die Luft. Ich hörte mit Karwan, wie die Leute über den Krieg redeten, und sie sagten, dass keiner überlebt hat. Die Jash suchten mich überall, nirgendwo war ich sicher, ich versuchte wieder nach Hause zu kommen, aber dieses Mal ohne Shahid Shamsa und Shahid Hazhar.“

Seine Tränen flossen, er wischte sie weg und sagte, du weißt, was du wissen musst. Ich fragte ihn, wo sein Grab ist, damit ich ihn besuchen gehen kann. Ich weiß, er wollte wissen, wie ich jetzt ausschaue, vielleicht will er mich kennen lernen. Er sagte verzweifelt: Keiner weiß, wo die Leiche hingebracht wurde. Eines Tages werden wir es wissen. Er gab mir einen Kuss auf die Stirn und sagte: „Du bist auch wie mein Kind.“

Dann fragte ich mich, warum meine Mutter die Farbe ihres Gesichts veränderte, als ich sie fragte. Ich wusste auch, warum meine Mutter Schwarz trug. Zu dieser Zeit wurden mir einige Fragen klar und ich hörte auf, nach ihm zu fragen, weil ich wusste, wenn ich meine Mama frage, dass sie verletzt wird und dass ich ihr Wunden wieder versalze.

Ich schrieb immer Briefe, wo ich ihn vermisst habe und versteckte sie in meinen Hosentaschen.

Nach schwierigen Zeiten und nach dem Herbst fühlten wir, dass unsere Situation besser wurde als zuvor. Dank meiner Mutter, ihrem Fleiß, ihrer ununterbrochenen Zärtlichkeit uns gegenüber und dem Beweis ihrer ständigen Präsenz und Kontrolle über das Haus. Wir konnten alle Hindernisse bewältigen und alle Widrigkeiten überwinden. Für meine Mutter war es ein großer Erfolg, dass sie sich ein Auto gekauft hat, und jetzt hatten wir ein kleines rotes Auto. Damit meine Mutter es nicht versäumte, uns zu befreien und uns an neue Orte zu bringen. Natürlich so viel wie möglich!

Eines Abends waren meine Mutter und meine Brüder beim Essen, plötzlich klingelte es, als sie uns besuchten, und dann stellte sich heraus, dass es eine Person gab, deren Blick auf meine schöne Mutter fiel. An diesem Abend beschloss meine Mutter, sich einen Ehemann zu suchen und ihr Leben so zu leben, wie es sein sollte. Nach einer gewissen Zeit heiratete meine Mutter auf natürliche Weise, und mein Stiefvater war sehr nett und sehr elegant, und wir fühlten keine Entfremdung oder kein Unbehagen ihm gegenüber, er war ein guter Mensch. Vielmehr war es für mich sehr überraschend, dass es eine Person im Haus gab, die mein Vater hieß. Und im Laufe der Zeit nannte ich ihn sogar meinen Vater, und ich fing an, meinen Freunden zu erzählen, dass ich auch einen Vater habe und er mich sehr liebt. Ich war schon immer jemand, der das Gefühl hat, dass etwas in ihm unvollständig ist. Mit der Ankunft dieses neuen Vaters versuchte ich, mich zu verhüllen und mich dazu zu zwingen, dass er eine Lücke für mich füllen würde, unter der ich seit meiner Kindheit gelitten hatte. Die Harmonie des Mannes und meiner Mutter mit uns war sehr schön, bis zu dem Tag, an dem wir erfuhren, dass meine Mutter wieder schwanger war.

Unzählige Tage vergingen, Tage, die ich nicht vergessen kann. Zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang wurde mein kleiner Bruder geboren, den wir Shahin nannten, was bedeutet, dass sein Name der Adler ist.

Als Zeichen von Standhaftigkeit und Großmut wurde er mit schwarzen Augen in der Farbe eines schwarzen Lochs und mit einer hellen karamellfarbenen Hautfarbe geboren. Ich liebte ihn mehr als alles andere. Seine Anwesenheit lehrte mich die Bedeutung von Geduld, Mutterschaft und Zärtlichkeit.

Nach drei Jahren änderte sich der Lauf des Lebens und er wich in Stufen ab. Die Sprache des Lebens war für mich am grausamsten, da meine Mutter sehr dünn zu werden begann. Sie verlor ihr wunderschönes schwarzes Haar, das ich früher mit meinen Händen berührte, als ob der Geruch ihrer Haare überall wäre. Ich kann nicht einmal die Linien ihres schmalen Gesichts oder ihr

Lächeln vergessen. Sie ist meine Mutter, also wie kann ich das vergessen?

Im Laufe der Tage bemerkten wir eine Veränderung im Verhalten meiner Mutter. Sie kümmerte sich nicht um Konflikte oder häusliche Probleme oder sonst etwas. Sie wollte Beruhigung und psychologischen Trost. Das Wichtigste für sie war, wenn sie uns lachen oder spielen sah miteinander.

Eines Tages besuchten uns ihre beste Freundin und ihre Familie. Ich lag im Bett, als ich hörte, wie meine Mutter meinen Brüdern mit leiser Stimme sagte, dass sie krank und ihre Krankheit schwer zu behandeln sei. Es war Krebs und sie sollte nur ins Hauptstadtkrankenhaus gehen. Nachdem ihre Freundin sie ins Krankenhaus gebracht hatte, hörte ich, wie meine Mutter sagte, sie habe Krebs. Für einen Moment hatte ich das Gefühl, dass alles um mich herum eine dunkle Farbe bekam und alles Schöne schwarz wurde, und meine Sicht auf den Existentialismus änderte sich für einen Moment.

Im Krankenhaus entschieden sie nach Rücksprache mit den Ärzten, meine Mutter mit einer Chemotherapie zu behandeln.

Ein paar Tage später mussten wir in eine andere Stadt ziehen, ich und mein jüngerer Bruder zu meiner älteren Schwester, da sie dort geheiratet hatte. Zum Glück für den Bub fand ich neue Freunde und sie und meine Lehrer ermutigten mich wieder.

Ich konnte meine Mutter erst freitags im Krankenhaus besuchen.

Sie fing an, ihre Haare zu verlieren, ihre Augenbrauen und Wimpern, und sie wurde sehr schwach.

Ich konnte ihre intensive Angst sehen, indem sie uns mit ihren Augen und ihrer farblosen Stimme verließ. Nach einigen Monaten musste sie operiert werden, also entfernten die Ärzte einen Teil ihres Magens. Das Ergebnis war, dass es keine Hoffnung auf Besserung gab, da ihre Krankheit zu stark war. Der Arzt sagte, dass sie noch sechs Monate leben würde, und das sei die Höchstgrenze für sie.

Ich habe es nie akzeptiert und konnte nicht glauben, was gesagt wurde. Meine Seele schmerzte, als ich diese Worte hörte. Meine Mutter war überzeugt, nach Deutschland zu fliehen, sie dachte, es gäbe ein Heilmittel für sie, und sie sagte sich immer, was mit uns passieren würde, wenn sie hier sterben würde. Wohin wir gehen würden und was wir alleine tun würden. Also entschieden wir uns zwischen Tag und Abend, nach Deutschland zu ziehen.

Meine Mutter, die alles von Grund auf neu gebaut hatte, verkaufte alles, was wir besaßen, um Schlepper zu bezahlen, die uns nach Europa transportierten. Es hat uns nicht frei gemacht, alles zu verkaufen oder zurück zu lassen, was wir besaßen. Unsere Bekannten, meine Freunde, die Freunde meiner Mutter, alle Nachbarn und alle Leute, die wir kannten, zurückzulassen.

Aber meine Mutter hatte Hoffnung geschöpft und gesagt, dass es zwei Dinge gibt: Entweder wir beten und werden erhört, oder wir sterben in diesem salzigen Meer.

Nach ein paar Tagen regelten wir unsere Angelegenheiten und gingen auf die Reise nach Deutschland. Es war schwierig, in die Türkei zu kommen, weil meine Mutter nicht viel ertragen konnte und sie sehr müde war. Zuerst gingen wir lange Strecken in der großen Hitze, manchmal schrie mein kleiner Bruder weinend, dass er nicht mehr gehen und zurück wollte.

Ich habe lange durchgehalten und wir haben den Schmerz des langen Ausharrens ertragen, aber nicht umsonst, sondern um das Leben meiner Mutter wiederzubeleben, das auf dem Spiel stand.

Nach mehreren Nächten und einem Tag kamen wir in einer kurdischen Stadt an der Grenze zur Türkei an und übernachteten dort in einem Schlepperhaus. Wir gingen müde und wie sterbend ins Bett, also erinnere ich mich an diese Nacht. Ich dachte an meine Zeit, meine Augen weinten vor Schmerz und Unterdrückung, also dachte ich an meine Freunde, meine Schule und den kleinen Laden. Das Ende von all diesem Denken war, dass meine Augen in dieser Nacht geschlossen waren, und als ich meine Augen öffnete, sah ich meine Mutter vor mir, während sie schlief, und sie trug eine sehr leichte Decke, und ich sah, wie ihre Beine darunter hervorkamen. Die Titelseite. Also dachte ich noch einmal nach und sagte mir, es gibt keine Umkehrlinie, und der Weg vor uns steht erst am Anfang.

Am nächsten Tag fuhren wir in einem Minibus voller Immigranten nach Istanbul. Glücklicherweise ließen die Leute meine Mutter sitzen, und ich war bei ihr in diesem Moment, nutzte die Gelegenheit und setzte mich auf ihren Schoß.

Nachdem wir in Istanbul angekommen waren, trafen wir dort fünf Jungen im Alter von 20 bis 23 Jahren, die ebenfalls aus ihrem Land nach Europa flohen und ein neues Leben suchten. Dann brachten sie uns in kleine Wohnungen, die der Schlepper für uns eingerichtet hatte. Da war eine Person namens Arvin, die wir in der Türkei getroffen hatten, und wir haben wieder in einem der Schlepperhäuser übernachtet. Arvin hat die ganze Zeit mit uns und meinem Bruder gespielt. Nach einigen Stunden kamen drei Menschen mit Jacken, und sie gaben uns eine für jede Person.

Leider waren die Anzüge sehr schlecht und rissanfällig.

Wir wachten morgens auf, ein kleiner Bus kam und wir mussten einsteigen. Die Passagierkapazität betrug 15, aber wir waren ungefähr 60 Personen und der Platz zum Bewegen war sehr eng, also saßen wir alle und atmeten nur schwierig. Nach drei bis vier Stunden erreichten wir das Meer, danach fuhren sie den Bus in ein Schiff. Und sie brachten uns zu einer kleinen Insel. Wir kamen gegen fünf Uhr morgens auf der Insel an. Auf dieser Insel lebten etwa 200 Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern, darunter Afghanen, Syrer und Afrikaner. Dann kamen Männer mit Waffen in der Hand und zwangen uns alle, an Bord des Schiffes zu gehen. Es war kein Platz für alle, aber sie zwangen uns und drohten uns mit ihren Waffen. Wir waren sehr verängstigt und wussten nicht, was wir tun sollten, als wir in die Enge gezwungen wurden. Ich kann die Angst und die Schreie der Kinder nicht vergessen, die so waren wie ich und jünger waren als ich, und all die Mütter, die Angst um das Leben ihrer Kinder und ihr Leben hatten. Wir litten, also waren die Syrer die Syrer, die vor dem Krieg flohen, und der Tod verfolgte sie überall hin. Leiden gab es zu allen Zeiten.

Nachdem er uns zum Einsteigen gezwungen hatte, musste einer aus der Gruppe das Boot steuern, ob er konnte oder nicht, und die Schlepper sagten: „Du bekommst einen Rabatt, wenn du sie zum gewünschten Ort führst.“ Wir machten uns auf den Weg, alle Mütter umarmten ihre Kinder aus Angst um sie. Sie alle hatten Geschichten gehört über die Boote, die mitten im Meer versanken. Wir konnten nichts hören als das Geräusch von Wasser und Wind und die Schreie der Seelen, die dort im Meer ertrunken waren.

Nach zwei Stunden voller Schrecken erreichten wir eine der griechischen Inseln namens Lesbos und mussten eine weitere halbe Stunde laufen, um uns an einem verlassenen und unbekannten Ort zu versammeln.

Wir blieben den ganzen Tag und die ganze Nacht an einem halb verlassenen Ort, bis einer der Schlepper kam und uns eine Karte zum Überqueren und Verlassen der Insel besorgte, in Gruppen von jeweils 40 Personen.

Dann kauften wir Tickets, um mit einem Schiff nach Thessaloniki zu fahren, gingen zur Anlegestelle und warteten weitere drei Stunden, bis wir an Bord des Schiffes gingen, das ungefähr 18 Stunden fuhr. Kurz gesagt, das Schlimmste an den Reisen war das Warten.

Wir waren Fremde und alles an uns war neu, als wir an Bord des Schiffes in Thessaloniki ankamen, der letzten großen Stadt auf den Schienen zwischen Griechenland und Mazedonien. Es war im Oktober und die Reise war windig. Als wir ankamen, fühlten wir uns sehr erleichtert. Ein Minibus kam, wir stiegen ein und fuhren Richtung Mazedonien. Danach mussten wir die gesamte Grenze entlang nach Mazedonien laufen, bei kaltem und nassem Wetter mit mittlerem Wind, aber sehr kalt.

Wir standen der Müdigkeit gegenüber und blieben in den kleinen Zelten, die wir bei uns trugen. Was meine Mutter betrifft, nachdem sie aus dem Bus gestiegen war und wir diese unheimliche Straße überquert hatten, lächelte sie am Rand ihrer Lippen und sagte: „Die Angst hat mein Herz ein wenig verlassen.“

Ich bin mir sicher, dass sie keine Angst um sich selbst hatte, sondern sie hatte Angst um uns, dass uns nichts Schlimmes passieren würde, weil wir die ganze Zeit auf ihrem Schoß waren und sie uns immer fragte, ob wir Hunger hätten, oder schon früher sagte, dass wir niemals Angst haben sollten und dass uns nichts Schlimmes passieren würde. Eigentlich war sie sich dessen nicht sicher.

Danach gingen wir zum Bahnhof und fuhren mit dem Zug nach Ungarn. Manchmal mussten wir aussteigen und sehr lange neben der Bahnlinie laufen, bis wir einen sicheren Ort erreicht hatten und wieder einsteigen konnten.

Ich habe dir von einem Menschen in der Türkei erzählt, der hieß Erwin, er war die ganze Zeit bei uns. Er hat meinen kleinen Bruder auf langen Strecken auf den Schultern getragen, weil der sehr, sehr müde war.

Der Mann meiner Mutter war auch sehr müde, und er trug allein das Gepäck meines Bruders und ein paar Gepäckstücke meiner Mutter und auch sein Gepäck, also war auch er sehr erschöpft.

Was mich betrifft, ich verlor meinen Appetit und hatte Angst vor allem, was passieren würde. Ich war in den müdesten Momenten meines Lebens, weil ich nicht mehr als meine Besitztümer tragen konnte. Wir gingen nachts durch die Wälder und über die Hügel, am Tag in Müdigkeit und Hunger. Wir haben ein wenig geschlafen, weil wir Erleichterung verspürten, und es war kalt, es war eiskalt, und die Wälder waren beängstigend. Wir sind viel gelaufen und sind in Züge eingestiegen und viel umgestiegen, bis wir die österreichische Grenze erreichten und gingen über die Grenze etwa 50 Kilometer in Richtung Österreich.

Ich erinnere mich oft einen kleinen Moment lang daran, dass uns die Sonne über die Grenze schien und der Sonnenaufgang war und die extreme Kälte durch die Sonne etwas nachließ. Ich dachte mir, dass dies ein sehr schöner Anfang war. Nach vielen Mühen und Erschöpfungen durch langes Laufen waren wir in Österreich und wollten unsere Kräfte sammeln, denn unser Ziel war Deutschland.

Alles war schön und wunderbar, für mich waren die Farben überall, die Menschen waren anders, die Autos auch, die Straßen und die Gebäude, alles war schön. Nachdem wir uns ein paar Tage ausgeruht hatten, fuhren wir an die Grenzen von Österreich, mit dem Zug in eine Stadt namens Salzburg, aber meine Mutter!

Meine Mutter war sehr, sehr, müde und sie konnte es nicht mehr ertragen und wurde krank. Die Leute bemerkten uns, für einen Moment kam die Polizei zu uns und verhaftete uns. Sie brachten uns zur Polizeiwache, und wir blieben dort einen ganzen Tag. Mit jedem von uns arbeiteten sie für ein Interview und wir führten alles durch. Danach brachten sie einen Kleinbus für 14 Passagiere und fuhren uns zu den Lagern. Als wir ankamen, waren diese Lager voller Flüchtlinge aller Rassen. Wegen der vielen Flüchtlinge mussten wir das Zelt mit einer anderen Familie teilen. Es waren Afghanen, es waren fünf Personen, schlimm war, dass zwei von ihnen eine Körperbehinderung hatten. Dort blieben wir etwa zwei Wochen.

Ich war elf Jahre alt und trat in mein zwölftes Lebensjahr in einem Lager ein, weit weg von unserem Zuhause und unseren Freunden und weit weg von den Feierlichkeiten.

Ich war sehr verschlossen, ich konnte nicht auf den Schaden reagieren, der passierte, also fühlte ich mich an einem solchen Ort und an meinem Geburtstag nicht gut, sondern die Krankheit meiner Mutter und meine Angst um ihr Leben hat mich alles vergessen lassen, auch mich selbst. Ich konnte ihr nichts recht machen, denn der Zustand meiner Mutter verschlechterte sich durch ihre Krankheit ohne Beispiel. Er verschlechterte sich Tag für Tag, also mussten wir sie so schnell wie möglich ins Krankenhaus bringen.

Allerdings wurde mein kleiner Bruder mit seinem Vater in ein anderes, wärmeres Lager geschickt.

Es war sehr kalt, also schaute ich von einem Moment auf den anderen in den Himmel und sah die Sterne fallen, ich sah Schnee fallen wie die Haarsträhnen meiner Mutter. Ich konnte sie nicht immer besuchen, aber ich versuchte so oft wie möglich, sie zu erreichen.

Sie entschieden eines Tages, dass meine Mutter nach Hause zurückkehren sollte. Als ich das hörte, war ich sehr glücklich und wartete den ganzen Tag auf meine Mutter. Als sie ankam, sah ich ihr ins Gesicht. Ich rannte zu ihr und umarmte sie und roch wieder ihren Duft, den ich nie vergessen kann.

Nach kurzer Zeit entschieden sie, dass wir an einen anderen Ort ziehen sollten, der besser war als der Ort, an dem wir jetzt waren, also brachten sie uns in einem Bus voller Kurden, Afghanen und Araber zu einem Haus, in dem jede Familie ein kleines Zimmer hatte, und die Küche wurde von jeweils paar Familien geteilt. Wir ließen uns dort nieder und bald war ich sehr aufgeregt, zur Schule zu gehen und mit Kindern in meinem Alter zu spielen. Wir waren drei Leute, Manu, Benin und ich.

Ich und die Mädchen waren in der gleichen Schule, ich war mit Benin in der ersten Klasse und Mano ging in die zweite Klasse.

Der erste Tag war seltsam und schrecklich für mich. Ich konnte kein einziges Wort sagen. Ich verstand nicht einmal einen Satz von dem, was sie sagten. Alle sahen uns seltsam an. Mit der Zeit und der Hilfe von Lehrern lernte ich langsam die Sprache. In der Schule gab es einen drei-stündigen Unterricht für Schüler, die die Sprache nicht sprachen. Meine Lehrerin, deren Namen ich nicht vergessen kann, war Helga. Sie war sehr nett und versuchte, uns die deutsche Sprache beizubringen. Nach drei Monaten und harten Versuchen, die Sprache zu lernen, konnte ich meine ersten Fortschritte bemerken und war damit zufrieden.

Eines Tages schickten sie mich, um einige Dinge zu kaufen. Als ich vom Einkaufen zurückkam, traf ich auf meinem Weg zwei alte Menschen, es waren eine alte Frau mit weißen Haaren namens Erna und ein alter Mann namens Hans. Wenn ich ihnen so viel zurückzahlen könnte, wie ich von ihnen gelernt habe! Sie fragten mich, wo ich wohne, also erzählte ich ihnen von dem großen Haus auf der Straße neben dem Bahnhof. Dann kam ich nach Hause.

Ich glaube, sie fanden mich nett, also beschlossen sie, mich eines Tages aus dem Nichts zu besuchen und brachten eine Tüte voller Süßigkeiten mit. Als ich ging, sah ich sie kommen, um mich zu besuchen, und ich war sehr glücklich. Sie fingen an, Fragen zu stellen, und wir erklärten ihnen, dass meine Mutter sehr krank war und wir kein Heilmittel für sie finden konnten. Am nächsten Tag hatte meine Mutter einen Termin bei einem Arzt, der ihr an diesem Tag mitteilte, dass sie sich schnellstmöglich operieren lassen sollte.

Nachdem meine Mutter operiert worden war, sagte man ihr, dass es keine Hoffnung mehr gebe, die Krankheit fortdauere, eher zunehme und dass sie nur noch drei Monate leben würde. Meine Mutter fühlte sich damals sehr enttäuscht, also dachte sie, dass sie uns verlassen würde, und sie könnte nicht mit uns fertig werden, und sie würde vom Leben abwesend sein, und sie sah ihre Kinder nicht vor ihren Augen aufwachsen. Mit dieser Entscheidung änderte sich alles in unserem Haus. Meiner Mutter ging es auch gleichzeitig wieder gut. Wir waren trotz ihres ständigen Kämpfens sehr traurig, aber das Schicksal hatte alles geschrieben.

In ihren Augen war unser Zusammensein nicht alles. Sie hatte alles für uns geplant, also fühlte sie sich schuldig. Wer würde an ihrer Stelle mit uns fertig werden? Sie hatte Angst, dass wir uns verlieren würden. Sie versuchte auf jede Weise zu überleben, hatte den Weg durch Wälder genommen und Länder durchquert und Tausende von Kilometern einfach, um für uns zu überleben. Am Ende erkannte sie, dass es keine Chance gab und ihr Leben bald enden und sie uns verlassen würde. Diese begrenzte Zeit, die die Ärzte meiner Mam gegeben hatten, waren nicht nur drei Monate, sondern eine Zeit, in der meine Mam uns Kindern sagen konnte, dass sie nicht mehr lange bei uns bleiben werde. Dieses Thema beschäftigte ihre Gedanken und ihre Konzentration. Eines Abends meinten meine Eltern, dass sie ein Haus gefunden hätten und wir es anschauen möchten. Es war kein Haus zum Wohnen, sondern ein Haus, um die letzten drei Monate ihres Lebens zu genießen und dort in Ruhe zu sterben. Meine Mam entschied sich uns mitzuteilen, dass sie nur noch kurze Zeit mit uns ist. Nach einem Abendessen gingen wir zu Manos Familie. Dort fing meine Mama an uns zu erzählen, was die Ärzte zu ihr gesagt hatten. Ich konzentrierte mich nur auf ihre Lippen und die Mimik in ihrem Gesicht. Auf einmal ist jeder leise geworden. Und ich konnte nichts mehr hören außer ihre Stimme. Jeder war schockiert und ihr Ausdruck änderte sich schnell. Mein Herzschlag taktete schneller. Meine Augen gingen langsam zu und ich hatte einen Knoten in meinem Hals und langsam flossen Tränen über meine Backen runter. Gedanken nach Gedanken kamen andauernd durch meinen Kopf. Ich fragte mich, wie ich das alles ohne meine Mutter schaffen würde. Meine Mam gab uns Motivation und Hoffnungen, damit wir weiter schaffen und nicht so leicht aufgeben sollen. Sie meinte, wir seien stärker als das, was uns erwartet. Vielleicht ist das unser Schicksal, das für uns geschrieben worden ist. Nachdem ich es gehört hatte, ging ich in ein anderes Zimmer und fing an zu weinen. Danach kam meine Mam hinter mir her, nahm mich in ihre Arme und drückte mich so fest. Sie fing danach an zu weinen.

In Februar sind wir umgezogen, die ganzen Familien halfen uns dabei. Nach so viel schweren Zeiten und so viel Erschöpfung fühlte ich mich endlich wie zu Hause. Ich bin jeden Tag zu Schule gegangen. Ich wurde oft gemobbt, weil ich viele Haare an meinem Arm hatte. Sie nannten mich Affe oder sie sagten zu mir, dass ich mehr männlich ausschaue. Diese Worte taten mir weh, und außerdem jeden Tag nach der Schule kam ich nach Hause und sah mein kranke Mutter auf der Couch, es tat mir richtig im Herzen weh. Ich wünschte, sie wäre nicht krank. Tag für Tag ist vergangen, und jeden Tag sie ist kränker geworden, sie ist so dünn geworden. Ich hatte in der Schule einen Elternsprechtag und meine Mama kam mit mir. Ich habe mich geschämt für ihr Aussehen. Alle haben mich gefragt, was meine Mama hat und wieso sie so ausschaut. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Und mein Stiefvater hat immer mit meiner Mama gestritten, er wollte mich nicht groß ziehen. Er meinte, er will eine neue Frau heiraten, wenn meine Mama stirbt. Sie haben jede Nacht gestritten, und ich bin jede Nacht aufgewacht, weil sie so laut waren.

Ein paar Wochen vor den Sommerferien konnte meine Mama nicht mehr auf ihren eigenen Füßen gehen. Sie bat uns, ob wir mit ihr gehen wollten. Ich habe mich geschämt, was mir jetzt richtig weh tut und ich bereue.

Am 10.9.2016. Das war circa um 16:00 Uhr und meine Mama rief mich. Ich verstand nicht, was sie wollte, ich gab ihr einfach ein bisschen Wasser, weil ihre Lippen trocken waren. Danach hielt sie meine Hand und sie küsste mich. Nachher kamen die Krankenschwestern und mein Stiefvater nach Hause. Ich holte zwei Eis und ging mit Shahin nach draußen, wir hatten eine Schaukel im Garten. Ich setzte mich auf die Schaukel und aß mein Eis. Nach fünf Minuten kam mein Stiefvater und sagte, wir sollen zu Erna und Hans gehen, ich und Shahin. Wir gingen zu Erna und Hans, sie hatten Besuch. Shahin ging spielen mit einem Mädchen namens Sarah, ihre Eltern waren zu Besuch bei Erna, und ich setzte mich dazu und war mit meinen Gedanken zu Hause bei meiner Mama. Nach zehn Minuten holte mich Erna ins Wohnzimmer. Sie setzte sich nieder, sie nahm mich auf ihren Schoß und sagte, dass auch sie ihre Mutter in jungem Alter verloren hat. Sie fing an zu reden, aber ich war mit meinen Gedanken nicht da, weil ich wusste, was passieren wird. Ich hörte nur, als sie sagte, dass Mario angerufen und gesagt habe, dass meine Mama uns vor paar Minuten verlassen hat. Ich wollte nichts mehr hören und ging nach Hause. Vor der Tür war die Rettung. Ich ging ins Haus rein, ich sah so viele Leute weinen, ich sah meine Mutter, sie hatte ein weißes Tuch auf ihrem Körper. Ich wollte sie umarmen, ich wollte mit ihr reden und sie fragen: Wie konnte sie mich einfach so hier lassen, ohne Wiedersehen. Ich wollte ihre kalten Hände halten, ich wollte ihr in die Augen schauen, ich wollte ihre Atemzüge und ihren Herzschlag hören, doch ich konnte nicht, es war zu spät. Wenn ich es gewusst hätte, dass dieses Mal mein letztes Mal war, wo ich von zu Hause raus ging und meine Mutter sah. Ich konnte nicht mehr. Ich nahm mein Handy und verließ das Haus und ging wieder zu meinem Bruder. Ich sah meinen Bruder, wie er glücklich beim Spielen war. Ich sah sein Lachen, ich hatte einen Knoten in meinem Hals und konnte kein Wort sprechen. Ich wollte es nicht glauben, dass sie von mir weg war. Ich konnte nicht glauben, dass ich sie nie wieder sehen würde, ich konnte nicht glauben, dass ich nächsten Monat Geburtstag habe und sie nicht bei mir ist. Wie soll ich ohne sie leben? Wie werde ich alles ohne ihre Hilfe schaffen? Was war mit meinen Gebeten, hat Gott sie nicht gehört? Warum? Warum nahm Gott sie mir, ich hatte nur sie? Sie war mein Mond, sie hat immer die dunkelsten Nächte hell gemacht. Ab jetzt – wer soll meine Nächte aufhellen?

Ich erinnere mich daran, dass sie gesagt hat: „Diese Welt ist eine Welt voller Leid und das tiefste Leid steckt in meiner Sorge und Angst. Die Angst um euch meine Kinder. Ich weiß und wusste stets, dass ihr stark seid und das Leben auch ohne mich meistern werdet, doch ich bin eure Mutter, ich will euch nicht alleine lassen. Ich will euch erwachsen werden sehen, ich will euch an eurem Hochzeitstag in den Armen halten, mit euch lachen, Teil eures Lebens sein, weiterhin. Dennoch weiß ich, ich muss euch verlassen. Drei Monate. Drei Monate, in denen ich euch nicht in die Augen blicken kann, ohne dass Trauer in mir hochkommt. Ich habe keine Angst vor dem Tod, ich habe Angst davor, nicht für euch Kinder da sein zu können. Wir waren auf überfüllten Booten, schwankenden Schiffen und gingen mehrere Meilen zu Fuß, alles ohne die erhoffte Heilung zu finden. Seit ich von meiner Diagnose weiß, will ich stark sein. Doch nicht für mich, ich will meine Liebsten glücklich sehen, will euch das Glück der Welt zeigen können, dennoch fühle ich mich, als hätte ich das Gegenteil getan. Drei Monate. Drei letzte Monate, bis zum letzten Tag der Liebe.“

Wenn die Sonne untergeht, bin ich mit meinen Gedanken allein und versinke in einem Meer aus Traurigkeit, das kein Ende zu nehmen scheint. Das Gewicht meiner Sorgen erstickt mich und jeder Atemzug fühlt sich an wie ein Kampf, als würde ich versuchen, Luft aus einem Vakuum zu ziehen, wo es keine Luft gibt. Mein Herz leidet unbeschreiblichen Schmerz, Schmerz, der jede Faser meines Seins zu durchdringen scheint. Ich versuche, mich abzulenken, Trost in Dingen zu finden, die mir früher Freude bereitet haben, aber jetzt scheinen alle leer zu sein. Die Welt um mich herum ist grau und leblos, ohne die Farbe und Vitalität, die sie einmal hatte. Verloren in einem Meer der Verzweiflung sehe ich keinen Ausweg. Meine Tränen fließen nicht, ich habe einen endlosen Strom von Traurigkeit. Ich stecke in diesem endlosen Kreislauf der Trauer fest, ohne Hoffnung auf Entkommen. Ganze Nächte konnte ich nicht schlafen. Meine Augen waren geschwollen. Tatsächlich ist das hässlichste Gefühl, wenn du alles verlierst und gleichzeitig das „Weinen“ verlierst. Nach dem Weinen, wenn du nicht weinen kannst, fühlst du dich, als wärst du der leerste Mensch im Universum.

Die Leute meinten, ich soll aufhören und schlafen gehen. Sie sagten, es sei ihr Schicksal und man könne nichts machen. Doch. Es ist sehr schwierig, jemandem Traurigkeit zu beschreiben, der sie noch nie durchgemacht hat, denn es ist nicht nur Traurigkeit. Ich weiß, wie es ist, traurig zu sein. Traurigkeit ist das Gefühl des Weinens. Aber es ist dein Mangel an kalten Gefühlen, ein völlig leeres Gefühl.

Am nächsten Tag ging ich zur Dusche, machte mich sauber und zog das Lieblings-T-shirt von meiner Mama an, denn es war ihr Begräbnis. Wir brachten sie zu einem muslimischen Friedhof.

Nach Waschen und Gebet brachten wir sie zu ihrem Grab. Wir sind beide an diesem Tag gestorben, doch nur sie wurde begraben. Ich glaube immer noch, dass der Mensch nicht für immer stirbt, statt dessen stirbt er in Stücken. Wenn ein Freund stirbt, sterben einige von uns. Wenn ein geliebter Mensch uns verlässt, stirbt ein anderer Teil von uns, wenn sie einen Traum töten, stirbt ein Teil von uns, schließlich kommt der große Tod und Er sammelt alle toten Teile ein und geht.

Wie schnell altert ein Mensch nach dem Tod seiner Mutter! Jeden Morgen wachst du auf und hoffst, ihre Stimme wieder zu hören, die sagt, es sei zu spät zum Aufwachen. All die Tage, an denen du versuchst, ruhig auszusehen und zu glauben, dass sie weg ist. All die Nächte, in denen du schlafen willst und nicht darüber nachdenken: Wird sie heute Nacht nicht zurückkommen und sagen, es ist zu spät zum Schlafen? All die Tage, an denen du den leeren Ort ohne sie gesehen hast. All dies lässt dich von deinem Knochenmark bis zu deiner Seele altern. Es gibt viele, die statt ihrer Mutter ihr Grab küssen. Sie umarmen ihr Grab.

Sie war weg, und unser Haus war sehr kalt ohne ihre Liebe. Seitdem bin ich wie ein verlorener Schlüssel, ohne meine Mutter. Keine Freundeshand auf meiner Schulter und keine zärtliche Hand in meinem Haar.

– – – – –

Ein Artikel von